Geister (Say Goodbye)

Theater Osnabrück

9 nov 2019

Die bedrückende Aussage von „Geister (Say Goodbye)“ geht extrem unter die Haut. Als Stück der Stunde, auch zur Bekräftigung der Fridays for Future-Bewegung, hat es das Zeug, in die Tanzgeschichte einzugehen.

Christine Adam // „Wenn der Mensch wieder zum Tier wird“
Neue Osnabrücker Zeitung // 11 nov 2019

9 / 13 / 22 / 29 nov + 3 / 6 / 14 / 26 dez 2019 Theater Osnabrück

Auf Einladung des Theater Osnabrück kreiert Ben J. Riepe eine Choreographie für die Dance Company Osnabrück. Nach der ersten Arbeit dieser Reihe mit dem im November 2018 uraufgeführten „GEISTER_Fragment“, das den Menschen mit den ephemeren Zwischenwelten des digitalen Zeitalters konfrontierte, nähert sich Riepe mit den Osnabrücker Tänzer*innen thematisch nun den „Geistern“, die der Mensch im Anthropozän, dem durch den Eingriff des Menschen bestimmten Erdzeitalter, selbst erschafft, und die massiv Einfluss nehmen auf Erde und Klima. Am Ende dieser Entwicklung steht ein großer Abschied – der des Menschen von der Erde. Und so ist „Geister (Say Goodbye)“ ein Abgesang auf die Menschheit, die als großangelegtes kosmisches Experiment grandios zu scheitern droht und doch lächelt bis zuletzt, denn die Geschichte der Welt wird auch ohne sie weitergehen, während sie selbst als geisterhafte Randerscheinung der Erdgeschichte enden mag. In einem zirkulierenden Spiel aus Farbigkeit, Licht, Projektion und futuristischen Kostümelementen erarbeitet der jüngst mit der Tabori-Auszeichnung geehrte Ben J. Riepe mit seinen elf Protagonist*innen ein hoch physisches Bewegungsvokabular, das den Menschen einer umgekehrten evolutionären Entwicklung gleich von der Vertikalen in die Horizontale führt. Prototypische Gesten des Menschseins und „entmenschte“ Bewegungen werden irrlichternd nebeneinandergestellt und das aufkommende Chaos des nahenden Endes ebenso in beinah euphorischer Partystimmung gefeiert, wie die verlorene Weltordnung bewegend betrauert. Für „Geister (Say Goodbye)“ bat Riepe jedes Kompaniemitglied um einen eigenen Abschiedstext, der an diesem Abend in Auszügen, Zitaten oder als Lied zu hören ist. In Bewegung, Tanz und Sprache, Live-Gesang, neuen und alten Klängen von Elektro-Sounds bis Vivaldi, und nicht zuletzt einer Fülle von großen und kleinen „Goodbyes“ kreiert Riepe einen Menschheitsabschied, der Analogien zu Slapstick und Varieté ebenso erlaubt wie zu Gemälden von Hieronymus Bosch. Und doch steht der aufkommenden Melancholie immer wieder augenzwinkernde Ironie gegenüber – denn für die Welt, wie für die dem Abschied entgegentanzende Menschheit gilt gleichermaßen: „The Show must go on“.

Choreographie: Ben J. Riepe
Tanz/Performance: Dance Company Theater Osnabrück – Teresa Vega Alcázar Díaz, Ayaka Kamei, Gabriella Lemma, Laura Martín Rey, Marine Sanchez Egasse, Ana Torre, Petr Buchenkov, Neven Del Canto, Riccardo Maria Detogni, Hampus Larsson, Yi Yu
Bühne, Kostüme: Ben J. Riepe, Gwen Wieczorek
Komposition: Misagh Azimi
Choreographische Assistenz – Theater Osnabrück: Leonardo Centi
Dramaturgische Unterstützung: Ben J. Riepe Team
Dramaturgie – Theater Osnabrück: Patricia Stöckemann

  • GEISTER_Fragment

    die digitale düsseldorf – Kunstraum Düsseldorf

    23 nov 2018

  • ENVIRONMENT

    Ballett am Rhein – b.35, Opernhaus Düsseldorf

    27 apr 2018

  • GESCHÖPFE

    tanzhaus nrw

    29 okt 2020